Flammen, die aus einem Zelt schlugen, beleuchteten plotzlich die in der Hohe schwebenden Menschen, und Harry erkannte einen von ihnen – es war Mr Roberts, der Aufseher des Zeltlagers. Die anderen drei sahen aus, als konnten sie seine Frau und seine Kinder sein. Einer der Vermummten lie? Mrs Roberts kopfuber kippen; ihr Nachthemd rutschte herunter und enthullte ihre bauschigen Schlupfer; unter dem hohnischen Kreischen und Johlen der Menge am Boden versuchte sie verzweifelt, ihre Blo?e zu bedecken.
»Das ist widerlich«, murmelte Ron und beobachtete, wie das kleinste Muggelkind zwanzig Meter uber der Erde wie ein Kreisel zu wirbeln begann, das Kopfchen wehrlos von der einen auf die andere Schulter schlagend.»Das ist wirklich widerlich…«
Hermine und Ginny, die sich hastig Mantel uber ihre Nachthemden zogen, kamen auf sie zugerannt, dicht gefolgt von Mr Weasley. In diesem Moment kamen Bill, Charlie und Percy aus dem Jungenzelt, angezogen, mit hochgerollten Armeln und gezuckten Zauberstaben.
»Wir helfen den Ministeriumsleuten«, rief Mr Weasley durch den Larm und rollte nun ebenfalls die Armel hoch.»Und ihr – verschwindet in den Wald und bleibt zusammen.«
Schon liefen Bill, Charlie und Percy den naher kommenden Marschierern entgegen; Mr Weasley eilte ihnen nach. Aus allen Himmelsrichtungen rannten die Zauberer des Ministeriums auf die Quelle des Aufruhrs zu. Immer naher kam der Haufen, uber dem die Familie Roberts in der Luft schwebte.
»Schnell«, sagte Fred, packte Ginny am Arm und zog sie zum Wald. Harry, Ron, Hermine und George folgten ihnen. Als sie unter den Baumen angelangt waren, blickten sie zuruck. Die Schar unter der Familie Roberts war weiter angeschwollen; sie konnten erkennen, wie die Ministeriumszauberer zu den Vermummten vorzudringen versuchten, doch offenbar hatten sie gro?te Schwierigkeiten. Es schien, als furchteten sie, ein Zauberspruch aus der Menge wurde die Roberts-Familie zu Boden sturzen lassen.
Die bunten Laternen am Weg zum Stadion waren erloschen. Dunkle Gestalten trieben sich zwischen den Baumen herum; Kinder weinten; angsterfullte Rufe und panische Schreie waberten durch die kalte Nachtluft. Harry spurte, wie er von Leuten, deren Gesichter er nicht sehen konnte, herumgeschubst wurde. Dann schrie Ron vor Schmerz auf.
»Was ist passiert?«, sagte Hermine erschrocken und blieb so plotzlich stehen, da? Harry gegen sie prallte.»Ron, wo bist du? Oh, ist das bescheuert – Lumos!«
Sie lie? ihren Zauberstab aufleuchten und richtete den dunnen Lichtstrahl auf den Weg. Ron lag, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden.
»Bin uber eine Baumwurzel gestolpert«, sagte er wutend und rappelte sich auf.
»Mit solchen Riesenfu?en ist das auch kein Wunder«, sagte eine schnarrende Stimme hinter ihnen.
Harry, Ron und Hermine wirbelten herum. Draco Malfoy stand ein wenig entfernt von ihnen an einen Baum gelehnt, allein und in vollkommen entspannter Haltung. Offenbar hatte er das Geschehen auf dem Zeltplatz mit verschrankten Armen durch eine Lucke in den Baumen hindurch beobachtet.
Ron schleuderte Malfoy etwas entgegen, das er, wie Harry wu?te, vor Mrs Weasley nie zu sagen gewagt hatte.
»Zugle dein Mundwerk, Weasley«, sagte Malfoy mit einem Glitzern in den fahlen Augen.»Solltet ihr jetzt nicht besser verschwinden? Ihr wollt doch nicht, da? man die hier sieht, oder?«
Er nickte zu Hermine hinuber, und in diesem Moment horten sie vom Zeltplatz her einen Knall wie von einer Bombe, und fur einen Augenblick erhellte ein gruner Lichtblitz die Baume um sie her.
»Was soll das denn hei?en«, sagte Hermine herausfordernd.
»Die sind hinter Muggeln her, Granger«, sagte Malfoy.»Willst du vielleicht mitten in der Luft dein Hoschen vorzeigen… sie kommen in diese Richtung, und das war doch fur uns alle ein Riesenspa?.«
»Hermine ist eine Hexe«, knurrte Harry.
»Wie du meinst, Potter«, sagte Malfoy heimtuckisch grinsend.»Wenn du glaubst, die konnten eine Schlammbluterin nicht erkennen, dann bleibt, wo ihr seid.«
»Pa? auf, was du sagst!«, rief Ron. Alle Beteiligten wu?ten, da?»Schlammbluter«ein sehr verletzender Ausdruck fur eine Hexe oder einen Zauberer mit Muggeleltern war.
»La? ihn reden, Ron«, warf Hermine ein und packte Ron, der einen Schritt auf Malfoy zutrat, beschwichtigend am Arm.
Von jenseits der Baume horten sie einen Knall, der lauter war als alles Bisherige. Einige im Umkreis schrien auf.
Malfoy kicherte leise.»Ihr kriegt es leicht mit der Angst zu tun, oder? Bestimmt hat Daddy gesagt, ihr sollt euch alle verstecken? Was hat er vor – will er die Muggel retten?«
»Wo sind deine Eltern?«, sagte Harry nun schon zorniger.»Dort druben, nicht wahr, und zwar maskiert?«
Immer noch lachelnd wandte Malfoy das Gesicht Harry zu.»Nun, selbst wenn es so ware, Potter, wurde ich es doch nicht ausgerechnet dir erzahlen?«
»Ach, la?t ihn«, sagte Hermine mit einem ekelerfullten Blick auf Malfoy,»gehen wir lieber die anderen suchen.«
»Und versteck besser deinen gro?en buschigen Kopf, Granger«, hohnte Malfoy.
»La?t ihn doch«, wiederholte Hermine und zerrte Harry und Ron auf den Weg zuruck.
»Ich wette mit euch, da? sein Dad einer von diesen maskierten Banditen ist«, sagte Ron emport.
»Mit ein wenig Gluck wird das Ministerium ihn kriegen!«, sagte Hermine erhitzt.»Nein, ich fa? es nicht, wo stecken denn die anderen?«
Auf dem Weg herrschte ein gro?es Gedrange. Menschen warfen nervose Blicke zum Treiben auf dem Zeltplatz, doch von Fred, George und Ginny war weit und breit keine Spur.
Ein Stuck weiter trafen sie auf einen Schwarm Teenager, die sich lautstark und aufgeregt uber etwas stritten. Als sie Harry, Ron und Hermine sahen, wandte sich ein Madchen mit dichtem Lockenhaar um und sagte schnell:»Ou est Madame Maxime? Nous l'avons perdue -«
»Ahm – was?«, sagte Ron.
»Oh…«, das Madchen, das gesprochen hatte, kehrte ihm den Rucken zu, und als sie weitergingen, horten sie deutlich, wie sie»Ogwarts«sagte.
»Beauxbatons«, murmelte Hermine.
»Wie bitte?«, sagte Harry.
»Das mussen Beauxbatons sein«, sagte Hermine.»Ihr wi?t doch… Beauxbatons, Akademie fur Zauberei… Ich hab davon im Handbuch der europaischen Magierausbildung gelesen.«
»Oh… ja… naturlich«, sagte Harry.
»Fred und George konnen nicht so weit gekommen sein«, sagte Ron, zuckte den Zauberstab und lie? den Lichtstrahl neben dem Hermines den Pfad entlangwandern. Harry grub in der Jackentasche nach seinem Zauberstab – doch er fand nur das Omniglas.
»Aah, nein, so ein Mist… ich hab meinen Zauberstab verloren!«
»Machst du Witze?«
Ron und Hermine hoben ihre Zauberstabe, um das sparliche Licht besser auf dem Boden zu verteilen; Harry suchte uberall, wo er gestanden hatte, doch sein Zauberstab war nirgends zu sehen.
»Vielleicht hast du ihn im Zelt gelassen«, sagte Ron.
»Vielleicht ist er dir aus der Tasche gefallen, als wir gerannt sind?«, uberlegte Hermine beklommen.
»Jaah«, sagte Harry,»vielleicht…«
Normalerweise trug er seinen Zauberstab immer bei sich, wenn er in der Zaubererwelt war, und nun, da er inmitten dieses brenzligen Geschehens ohne ihn dastand, fuhlte er sich ziemlich schutzlos.
Ein Geraschel lie? sie alle zusammenzucken. Winky, die Hauselfe, strampelte muhsam aus einem dichten Buschgeflecht am Wegrand hervor. Sie bewegte sich au?erst merkwurdig, offenbar fiel es ihr sehr schwer zu gehen; es war, als ob etwas Unsichtbares sie festhalten wurde.
»Bose Zauberer sind uberall!«, piepste sie verwirrt, wahrend sie sich nach vorn beugte und mit aller Kraft zu laufen versuchte.»Leute oben – hoch oben in der Luft! Winky macht sich besser aus dem Staub!«
Und sie verschwand zwischen den Baumen auf der anderen Seite des Weges, keuchend und piepsend gegen die Kraft ankampfend, die sie zuruckhielt.
»Was ist denn mit der los?«, sagte Ron und sah Winky neugierig nach.»Warum kann sie nicht richtig laufen?«