»Karte?«, warf Dumbledore ein.»Welche Karte denn?«
»Potters Karte von Hogwarts. Potter hatte mich darauf gesehen. Er sah mich, als ich eines Nachts weitere Zutaten aus Snapes Buro stahl. Er dachte, ich ware mein Vater, da wir denselben Vornamen tragen. Noch in dieser Nacht nahm ich Potter die Karte ab. Ich sagte ihm, mein Vater hasse schwarze Magier. Potter glaubte, mein Vater sei hinter Snape her.
Eine Woche lang wartete ich darauf, da? mein Vater in Hogwarts ankam. Endlich, eines Abends, zeigte mir die Karte, da? er das Gelande betreten hatte. Ich warf mir den Tarnumhang uber und ging hinunter, um ihn zu stellen. Er lief am Waldrand entlang. Dann kamen Potter und Krum. Ich wartete. Ich konnte Potter nichts antun, mein Herr brauchte ihn. Potter rannte davon, um Dumbledore zu holen. Ich schockte Krum. Ich totete meinen Vater.«
»Neeiiiin!«, jammerte Winky.»Meister Barty, Meister Barty, was sagen Sie da?«
»Sie toteten Ihren Vater«, sagte Dumbledore immer noch mit ruhiger Stimme.»Was haben Sie mit der Leiche getan?«
»Ich trug sie in den Wald. Bedeckte sie mit dem Tarnurnhang. Ich hatte die Karte bei mir. Ich verfolgte, wie Potter ins Schlo? rannte. Er traf auf Snape. Dumbledore kam hinzu. Ich sah, da? Potter Dumbledore aus dem Schlo? mitbrachte. Ich verlie? den Wald, schlug einen Bogen und lie? sie vorbeigehen, dann kam ich hinzu. Ich sagte Dumbledore, Snape hatte mir gesagt, wohin ich gehen solle.
Dumbledore gab mir den Auftrag, nach meinem Vater zu suchen. Ich ging zuruck zur Leiche meines Vaters. Beobachtete die Karte. Als alle fort waren, verwandelte ich die Leiche meines Vaters. Er wurde ein Knochen… ich zog den Tarnurnhang uber und begrub den Knochen in der frisch umgegrabenen Erde vor Hagrids Hutte.«
Vollkommene Stille trat ein, durchbrochen nur von Winkys Schluchzern.
Dann sagte Dumbledore:»Und heute Abend…«
»Vor dem Abendessen erbot ich mich, den Trimagischen Pokal in den Irrgarten zu tragen«, wisperte Barty Crouch.»Verwandelte ihn in einen Portschlussel. Der Plan meines Meisters gelang. Er ist wieder an die Macht gekommen und er wird mich ehren, wie es ein Zauberer nie zu traumen wagte.«
Das irrsinnige Lacheln erhellte noch einmal seine Zuge, dann sank ihm unter dem Wehklagen und Schluchzen Winkys der Kopf auf die Schulter.
Die Wege trennen sich
Dumbledore stand auf. Einen Moment lang sah er mit angewidertem Gesicht auf Barty Crouch hinunter. Dann hob er den Zauberstab. Seile flogen aus der Spitze des Stabs hervor, schlangen sich um Barty Crouch und fesselten ihn straff.
Er wandte sich an Professor McGonagall.»Minerva, wurden Sie bitte Crouch bewachen, wahrend ich Harry nach oben bringe?«
»Naturlich«, sagte Professor McGonagall. Ihr schien ein wenig ubel zu sein, als hatte sie gerade gesehen, wie sich jemand erbrach. Doch als sie den Zauberstab herauszog und ihn auf Barty Crouch richtete, war ihre Hand vollkommen ruhig.
»Severus«, sagte Dumbledore zu Snape gewandt,»weisen Sie bitte Madam Pomfrey an, nach oben zu kommen. Wir mussen Alastor Moody in den Krankenflugel schaffen. Dann gehen Sie hinunter aufs Gelande, suchen Cornelius Fudge und bringen ihn ebenfalls hoch in dieses Buro. Zweifellos wird er Crouch personlich verhoren wollen. Sagen Sie ihm, er kann mich in einer halben Stunde im Krankenflugel finden, falls er mich braucht.«
Snape nickte stumm und rauschte hinaus.
»Harry?«, sagte Dumbledore freundlich.
Harry stand auf und geriet erneut ins Wanken; der Schmerz in seinem Bein, den er, wahrend er Crouch zugehort hatte, uberhaupt nicht mehr wahrgenommen hatte, kehrte jetzt mit aller Macht zuruck. Er merkte auch, da? er am ganzen Leib zitterte. Dumbledore nahm ihn am Armund half ihm hinaus auf den dunklen Korridor.
»Ich mochte, da? du zunachst einmal mit in mein Buro kommst«, flusterte er, wahrend sie uber den Gang liefen.»Sirius erwartet uns dort.«
Harry nickte. Eine Art Benommenheit und das Gefuhl, dies alles sei ganz unwirklich, hatten von ihm Besitz ergriffen, doch es kummerte ihn nicht; er war sogar froh daruber. Er wollte nicht uber irgend etwas nachdenken mussen, das passiert war, seit er den Trimagischen Pokal zum ersten Mal beruhrt hatte. Er wollte sich nicht in die Erinnerungen vertiefen, die frisch und scharf wie Fotos standig an seinem geistigen Auge vorbeizogen. Mad-Eye Moody in diesem gro?en Koffer. Wurmschwanz, auf der Erde kauernd, schutzend uber seinen Armstumpf gebeugt. Voldemort, der dem dampfenden Kessel entstieg. Cedric… tot… Cedric, der ihn bat, ihn zu seinen Eltern zuruckzubringen…
»Professor«, murmelte Harry,»wo sind Mr und Mrs Diggory?«
»Sie sind bei Professor Sprout«, sagte Dumbledore. Seine Stimme, die wahrend der Befragung von Barty Crouch so ruhig gewesen war, zitterte jetzt erstmals ein wenig.»Sie ist die Leiterin von Cedrics Haus und sie kannte ihn am besten.«
Sie hatten den steinernen Wasserspeier erreicht. Dumbledore nannte das Pa?wort, der Wasserspeier sprang beiseite, und Harry folgte Dumbledore die Wendeltreppe hoch bis vor die Eichentur. Dumbledore stie? sie auf.
Drinnen stand Sirius. Sein Gesicht war wei? und ausgemergelt, wie damals, als er Askaban entkommen war. Er brauchte nur einen Moment, um das Zimmer zu durchqueren.»Harry, wie geht es dir? Ich wu?te es – ich wu?te, so etwas wurde – was ist geschehen?«
Mit zitternden Handen half er Harry auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch.
»Was ist geschehen?«, fragt er nun drangender.
Dumbledore begann ihm alles zu berichten, was Barty Crouch gesagt hatte. Harry horte nur mit halbem Ohr zu. Er war so mude und jeder Knochen im Leib tat ihm weh, da? er nichts weiter wollte, als hier zu sitzen, ungestort, Stunde um Stunde, bis er einschlief und nicht mehr denken und fuhlen mu?te.
Er horte ein leises Flugelschlagen. Fawkes, der Phonix, hatte seine Vogelstange verlassen, war durchs Buro geflogen und hatte sich auf Harrys Knie niedergelassen.
»'lo, Fawkes«, sagte Harry leise. Er streichelte das wunderschone scharlachrote und goldene Federkleid des Phonix. Fawkes blinzelte ihn freundlich an. Etwas Trostliches ging von diesem warmen Vogelleib aus.
Dumbledore hatte aufgehort zu sprechen. Er sa? hinter seinem Schreibtisch, Harry gegenuber. Er sah Harry an, doch Harry mied seinen Blick. Dumbledore wurde ihn befragen. Dann wurde er alles noch einmal durchleben mussen.
»Ich mu? wissen, was geschehen ist, nachdem du den Portschlussel im Irrgarten beruhrt hattest, Harry«, sagte Dumbledore.
»Konnen wir das nicht auf morgen verschieben, Dumbledore?«, fragte Sirius schroff. Er hatte eine Hand auf Harrys Schulter gelegt.»La? ihn die Nacht daruber schlafen. La? ihn ausruhen.«
Harry spurte eine jahe Anwandlung von Dankbarkeit fur Sirius, doch Dumbledore achtete nicht auf dessen Worte. Er beugte sich zu Harry vor. Widerwillig hob Harry den Kopf und sah in diese blauen Augen.
»Wenn ich glaubte, ich konnte dir helfen«, sagte Dumbledore sanft,»indem ich dich in einen Zauberschlaf versetze und es dir erlaube, den Zeitpunkt zu verschieben, an dem du daran denken mu?t, was heute Abend geschehen ist – dann wurde ich es tun. Aber ich wei?, es hilft nicht. Den Schmerz fur eine Weile zu betauben, hei?t nur, da? er noch schlimmer ist, wenn du ihn schlie?lich doch spurst. Du hast mehr Tapferkeit bewiesen, als ich je von dir hatte erwarten konnen. Ich bitte dich, deinen Mut noch einmal zu beweisen. Ich bitte dich, uns zu schildern, was geschehen ist.«
Der Phonix gab einen leisen, tremolierenden Ton von sich. Der Ton schwebte durch die Luft, und Harry hatte das Gefuhl, ein Tropfen hei?er Flussigkeit ware ihm die Kehle hinunter in den Magen geflossen und warmte und kraftigte ihn.
Er holte tief Luft und begann zu erzahlen. Beim Sprechen stiegen Bilder all dessen, was an diesem Abend geschehen war, vor seinen Augen auf; er sah die funkelnde Oberflache des Elixiers, das Voldemort wieder belebt hatte; er sah die Todesser zwischen den Grabern im Umkreis apparieren; und er sah Cedrics Leiche auf der Erde neben dem Pokal liegen.